Über

Er könnte ausgebrochen sein aus der Psychiatrie. Das Album seiner fotografischen Selbstinszenierung heißt nicht grundlos „Irr-Sinniges“.
Wolfgang Stegherr – „Supersteech“, wie er sich selbst nennt – zeigt Anzeichen eines sorgsam gepflegten Größenwahns. Er fürchtet weder Tod, Hitler noch Jesus Christus. Nichts ist ihm heilig. Er inszeniert sich als „Lord of Dopeness“ im Zylinder eines Lords, trägt dazu den Schmuck eines Gangster-Rappers und den Blick von einem, der es besser weiß. Er fliegt in maßloser Selbstüberschätzung durch seinen Dachboden und kurvt auf heißen Kettcar-Reifen durch Amerika. Die Fangemeinde auf Facebook und Instagram ist in wenigen Monaten sprunghaft gestiegen. Alle wollen wissen, woher die Ideen kommen und wie sie umgesetzt werden.

„Welcome to the Cowbarn“ heißt es in Fernabrünst/ Großhabersdorf, wo er seine Bildermacherei tatsächlich in einem alten Kuhstall auslebt. Das Studio besteht im Wesentlichen aus Requisiten, die ihre beste Zeit in den 50er-70er Jahren hatten und nun im Scheinwerferlicht eine skurrile Allianz eingehen. Da gehört der Tigerfell-Sessel genauso dazu wie die alte Küchenuhr und der ausrangierte Teddybär. Kongeniale Partnerin ist eine beschädigte Schaufensterpuppe, die schon in ihrem Vorleben Einiges mitmachen mußte. Die handlose „Ludmilla“ begleitet ihn vor und hinter der Kamera treu und schweigsam durch den Wahnwitz. Auf ein paar Quadratmetern Kuhstall entstehen so Welten, gebrochene Idyllen, Phantastereien. In der stilisiert schäbigen Wohnzimmeridylle entgeht er dem Hundefurz mit einer Gasmaske, als letzte Tante Emma verharrt er verloren im Kinderkaufladen. Hier hängt auch das romantisch-gerüschte Brautkleid , in dem er um seine Angebetete wirbt; eine künstliche Sonnenblume in der Hand und mit einem Blick voller Trauer und Sehnsucht.

In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Arbeiten von Supersteech. Eine geradezu kindliche Freude am blanken Unfug paart sich mit einem analytischen Blick auf die herrschenden Zustände. In der surrealen Bilderwelt offenbart sich mehr als in einer reinen Ablichtung. Da klebt Vergangenes zwischen den Kulissen, wird die Verlorenheit des Einzelnen offenbar, begegnen sich Schmerz und Hoffnung und Ratlosigkeit. Das Album „Irr-Sinniges“ überzeichnet. Es sind fotografische Karikaturen, die nicht einfach so durchrutschen. Sie erfordern eine Positionierung, sind bereichernd, enthüllend, anklagend – manchmal verletzend und fernab gültiger Konvention. Ja. Man könnte ihn einsperren. Aber es wäre unendlich schade drum….

Wolfgang Stegherr aka Supersteech, Jahrgang 1966, überzeugter Franke, Wahl-Eremit, Quertreiber, Abi mit Verspätung, aus der Bundeswehr rausgeflogen, Studium geschmissen. Mediengestalter, Kameramann – nur was er zu Hause treibt, das weiß niemand.

(Text: Birgitt Roßhirt, 1000 Dank dafür 🙂 )